Sarah Podolak

Reise in die Antarktis

Einmal im Leben auf dem 7. Kontinent stehen und Eisberge bewundern – dies war der Traum von Sarah Podolak. Letzten November ging dieser Traum für Sarah in Erfüllung. Die zehn Tage, die sie in der Antarktis erlebt hat, werden ihr für immer in unvergesslicher Erinnerung bleiben.

Abenteuer auf dem 7. Kontinent

Im Sommer habe ich spontan und ohne lange zu überlegen einen Platz auf einem Expeditionsschiff gebucht. Die Reise dauerte 11 Tage und führte von Ushuaia zum siebten Kontinent und wieder zurück nach Ushuaia. Bei meinen bisherigen Reisen konnte ich mir immer ungefähr vorstellen, was mich erwartet, aber für die Antarktis-Reise hatte ich kaum eine Vorstellung im Kopf. Das war vielleicht sogar gut so, denn so war ich ohne Vorurteile unterwegs und hatte keine zu hohen Erwartungen. Die Antarktis ist definitiv eine Destination, die stark vom Wetter abhängig ist und somit beeinflusst, welche Aktivitäten und Landgänge möglich sind.

Was ich dort erlebt habe, hat jedoch all meine Erwartungen übertroffen.

Tag 1: Das Abenteuer beginnt 

Ich erwache früh, voller Vorfreude und einer Prise Nervosität. Heute geht es los: Ab in die Antarktis! Nachdem ich meinen Koffer beim Hafen abgegeben habe, schlendere ich durch Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt. Um 16:00 Uhr steige ich auf das Expeditionsschiff Ortelius, ein fast 100 Meter langes Stahlboot. Die freundliche Crew begrüsst mich herzlich und zeigt mir meine Kabine, die geräumig ist und ein eigenes Badezimmer besitzt. Nach dem Einrichten folgt das obligatorische Sicherheitsbriefing. Um 18:00 Uhr lösen wir die Leinen und fahren bei Sonnenschein durch den Beagle-Kanal. An Deck geniesse ich den Ausblick auf die grünen Hügel. 

Nach einem köstlichen Nachtessen stellt sich die Crew vor, und wir erhalten das Programm für den nächsten Tag. Als wir wenig später den Kanal verlassen und das offene Meer erreichen, werden die Bewegungen des Schiffs deutlich stärker. Da ich weiss, dass ich zu Seekrankheit neige, nehme ich eine Tablette und gehe schlafen.

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Tag 2: Die Drake-Passage

Gut ausgeschlafen stehe ich auf und wage mich auf Deck. Die Wellen sind mit rund fünf Metern beeindruckend hoch und bringen meinen Magen schnell aus dem Gleichgewicht. Nach einem kurzen Rundumblick lege ich mich wieder hin, bevor es zum Frühstücken geht. Zum Glück fühle ich mich nach der zusätzlichen Stunde Schlaf viel besser und kann den Rest des Tages geniessen. Die wenigen Leute im Frühstücksraum lassen aber vermuten, dass es nicht allen so gut geht wie mir. Der Vormittag vergeht ruhig mit Tee und spanenden Vorträgen zur Tierwelt in der Antarktis. Am Nachmittag nehmen die Wellen ab und wir sehen die ersten Wanderalbatraosse, die sich anmutig mit dem Wind bewegen. Der Tag endet mit einem weiteren informativen Vortrag über die Geschichte der antarktischen Erforschung.

Tag 3: Hallo Eisberg

Die Wellen haben nachgelassen und immer mehr Passagiere kommen in die öffentlichen Bereiche. Nach dem Frühstück sehen wir die ersten Buckelwale, welch schönes Erlebnis! Sie verbringen die Sommermonate, November – März,  in der Antarktis, um sich von Krill zu ernähren. Wir werden diese Tiere in den nächsten Tagen noch viel näher beobachten können. Am Nachmittag steigt die Aufregung, denn wir werden unsere ersten Eisberge sehen. Warm eingepackt, stehe ich an Deck und bin fasziniert von der Grösse und den Formen der Eisberge. Beim täglichen Rückblick des Tages erklärt die Crew uns, wie sie entstehen und welche Bedeutung sie für das Ökosystem haben. So langsam wird mir bewusst wo ich mich auf der Welt befinde und die Vorfreude auf die kommenden Tage in der Antarktischen Halbinsel ist riesig. 

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Tag 4: Ab in den Schnee

Heute betreten wir erstmals antarktischen Boden! Schon beim Anziehen fühle ich mich wie ein Astronaut: sechs Schichten Kleidung, dicke Stiefel, Handschuhe und Sonnenbrille. Doch dank dem schönen Wetter und Sonnenschein ist es gar nicht so kalt. Da man die Antarktis nur in den Sommermonaten, also von November bis März, besuchen kann, liegt die Temperatur auf der Halbinsel zwischen -10 und etwa +5 Grad. Das Einzige, was es noch kälter machen kann, ist der Wind, denn die Antarktis gilt als der windigste Kontinent der Welt. Mit dem Zodiac geht es ans Ufer. Kaum angekommen, erwartet uns eine Gruppe Pinguine. Es ist ein unglaubliches Erlebnis, die Tiere so nah zu sehen. Sie watscheln unbeholfen durch den Schnee und stolpern immer wieder. Mich erinnern sie an ein Kleinkind, das gerade laufen lernt. Nebst den Pinguinen bestaunen, haben wir Zeit, den kleinen Hügel hochzulaufen, der uns eine atemberaubende Aussicht auf die Bucht bietet. Nachdem wir 2 ½ Stunden an Land verbracht haben, geht es zurück zum Schiff, wo bereits das Mittagessen wartet. Während wir im Speisesaal essen, bewegt sich die Ortelius zu unserem Ankerplatz für den Nachmittag. Auf dem Plan steht der Besuch eines Schiffwracks. Bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein geht es auf den Zodiac-Cruise. Mit jeweils sieben bis neun weiteren Passagieren und einem Guide haben wir die Möglichkeit ziemlich nahe an die Eisberge und dieses Schiffwracks zu kommen. Ein gelungener erster Tag in der Antarktis.

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Tag 5: Buckelwale und Zodiactour

Heute haben wir eine ausgedehnte Zodiac-Tour rund um beeindruckende Eisberge gemacht. Einige Seebären und Robben ruhen auf den Eisschollen, während wir vorsichtig durch das eisige Wasser navigierten. Ein weiteres Highlight ist die Sichtung von Buckelwalen. Die majestätischen Tiere lassen sich durch uns nicht beim Fressen stören. Sie tauchen alle paar Minuten wieder auf und verschwinden teilweise nur wenige Meter vom Zodiac entfernt. Manchmal weiss ich nicht, wohin ich schauen soll, weil mehrere Wale gleichzeitig auftauchen. Ich kann kaum fassen, wie nah wir diesen majestätischen Tieren kommen. Am Nachmittag betreten wir offiziell den siebten Kontinent. Die Antarktische Halbinsel besteht aus vielen hundert Inseln und man befindet sich oftmals auf einer dieser Inseln. Doch an diesem Tag haben wir uns offiziell auf den Antarktischen Kontinent gegeben. Ziemlich grossartig, nun habe ich alle sieben Kontinente besucht! Zurück an Bord stossen meine Zimmergenossinnen und ich mit heisser Schokolade auf diesen besonderen Moment an. 

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Tag 6: Polar Plunge und BBQ

Früh am Morgen durchqueren wir den Lemaire-Kanal, eine der fotogensten Passagen der Antarktis. Ich verstehe auch sofort wieso: Tausende kleiner Eisschollen treiben auf dem dunkelblauen Wasser umgeben von steilen Bergen. Nach dem Frühstück steht neben einem Landgang auch das berühmte Polar Plunge an. Grossartig habe ich zu Hause allen erzählt, ich würde dann schwimmen gehen. Als ich dann so weit war, habe ich jedoch kurz gezweifelt. Das Betreten des Schnees mit nackten Füssen, lässt mich zusammenzucken. Das Wasser hat eine Temperatur von -1 °C, die Luft ist kaum wärmer. Trotzdem wage ich den Sprung ins kalte Nass. Es ist eisig, aber ein unvergessliches Erlebnis! Den Abend verbringen wir bei Sonnenschein auf dem Helikopterdeck, wo die Crew ein BBQ vorbereitet hat. Mit den rustikalen Holzbänken erinnert es mich an ein Après-Ski-Ambiente, nur mit dem kleinen Unterschied, dass wir von Meer und Eis umgeben sind und das Ganze auf einem Schiff stattfindet. Nach dem BBQ durchfahren wir nochmals den Lamer Channel. Faszinierend wie unterschiedlich der Kanal nur 12 Stunden später ist. Ein faszinierendes Phänomen der Antarktis während der Sommermonate ist, dass es nie vollständig dunkel wird. Die Sonne geht für wenige Stunden unter, doch dunkel wird es nie. Ich bin fasziniert von dem atemberaubenden Abendlicht und dem rosa bis orangefarbenen Himmel, der nie vollständig in Dunkelheit getaucht wird.

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Tag 7: Kajaktour

Heute erlebe ich die Antarktis aus einer neuen Perspektive: im Kajak. Nach einer kurzen Einweisung paddeln wir in Zweierteams der Küste entlang. Die Stille und die Nähe zur Natur sind beeindruckend. Wir gleiten an Eisbergen vorbei und beobachten erneut Robben und Pinguine aus nächster Nähe. Die Stille ist atemberaubend, nur das Knacken des Eises und ist zu hören. Es ist ein intensiveres Erlebnis als mit dem Zodiac. Am Nachmittag besuchen wir Cuverville Island, wo wir erneut eine grosse Pinguinkolonie sehen. Die Tiere scheinen von uns wenig beeindruckt zu sein und watscheln weiter ihren gewohnten Wegen nach. 

Auch etwas Besonderes ist das Besuchen der Brücke. Auf unserem Expeditionsschiff ist diese Tag und Nacht für alle Passagiere geöffnet. So kann man immer wieder einen Blick auf die Navigationsgeräte werfen oder mit dem Kapitän sprechen. Zudem hat man von dort oben den besten Ausblick, ohne dass man raus in die Kälte muss.

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Tag 8: Deception Island

Heute unternehmen wir eine Tour, die zum ersten Mal angeboten wird. Ich bin gespannt.

Die Tour geht zur Vulkaninsel „Deception Island“. Wir fahren durch den engen Eingang, der als „Neptune’s Bellows“ bekannt ist. Die Landschaft wirkt wie von einem anderen Planeten: braune Lavafelder, verlassene Gebäude und dampfende Quellen. Nach einem Spaziergang am Kraterrand, fahren wir weiter zum „Elephant Point“. Hier erwartet uns eine grosse Ansammlung von Elefantenrobben. Ich bin beeindruckt, wie die riesigen Tiere am Strand liegen und wie laut sie brüllen können

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Tag 9: Rückfahrt durch die Drake-Passage

Mir kommt der Tag auf See gerade recht, denn ich bin ziemlich müde. Die letzten Tage habe ich nicht besonders viel geschlafen, denn meine Tage waren lang. Mein Wecker klingelte am Morgen meistens zwischen 04.00 Uhr und 05.00 Uhr. Ich genoss in Ruhe einen Kaffee an Deck und die noch unbekannte Landschaft, bevor es mit dem Tagesprogramm los ging. Meistens schaffte ich es nicht vor Mitternacht ins Bett. Schlafen erschien mir als vergeudete Zeit, da es so viel zu sehen und bestaunen gab.

Zum Glück ist dieses mal das Meer deutlich ruhiger, und ich verbringe den Tag mit Lesen, guten Gesprächen und spannenden Vorträgen. 

Tag 10: Kap Hoorn

Wir erreichen Kap Hoorn, das berühmte Kap, das früher als Schiffsfriedhof bekannt war. Bei einer Tasse heisser Schokolade mit Rum und Rahm, geniessen wir den Anblick der grünen Insel. Es ist ein letzter Höhepunkt, bevor wir zurück nach Ushuaia segeln.

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Tag 11: Zurück in Ushuaia

Früh am Morgen legen wir im Hafen von Ushuaia an. Nach dem Frühstück heisst es Abschied nehmen. Alles war sehr familiär und ich weiss, ich werde die Wake-up Calls unserer Expeditionsleiterin, Sara, vermissen. Irgendwann möchte ich wiederkommen, denn auch in der Antarktis gibt es noch so viel zu entdecken.

Fazit

Die Schönheit der Antarktis ist schwer in Worte zu fassen und so klischeehaft es klingen mag, es war einfach magisch und noch viel eindrücklicher als ich gedacht habe. Kein Foto oder Video kann diesem so abgelegenen Ort gerecht werden! Eine Reise, die ich nicht vergessen werde!

 

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Sarah Podolak

November/Dezember 2024