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Livia Eberle

Unterwegs in Brasilien

Im Oktober und November bereiste unsere Südamerika-Spezialistin, Livia Eberle, Brasilien. Die Vielfalt, die Gegensätze und die Tierwelt haben es Livia speziell angetan. Begeistert und vieler toller Erinnerungen erzählt sie von ihrer Reise durch das grösste Land Südamerikas.

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Brasilien - ein Land voller Facetten

Ein langgehegter Traum ist wahr geworden: Eine Reise durch «ganz» Brasilien! Wobei das jetzt natürlich übertrieben ist. Denn Brasilien hat etwa die Ausdehnung von Europa. Zudem ist es das grösste Land Südamerikas und das fünftgrösste der Welt. Es nimmt den gesamten Nordosten des Subkontinents ein und grenzt (im Uhrzeigersinn) an Venezuela, Guyana, Suriname, Französisch-Guayana, Uruguay, Argentinien, Paraguay, Bolivien, Peru und Kolumbien.

Rio de Janeiro – Cidade maravilhosa

Meine Reise beginnt in Rio de Janeiro, der zweitgrössten Stadt Brasiliens. Genauer gesagt in Leme, wo sich auch das Hotel befindet. In einem ruhigen Viertel am Ende der berühmten Copacabana.

Die Reiseleiterin Edna zeigt mir gleich «wo hier die Musik spielt», nämlich in einer der wichtigsten Sambaschulen Rios. Die Vorbereitungen für den berühmten Karneval im Februar laufen bereits auf Hochtouren. Wir dürfen einen Blick hinter die Kulissen werfen. Dort, wo die funkelnden und glänzenden Kostüme für den Karnevalsumzug hergestellt werden. Schliesslich können wir sogar die Gewänder anprobieren und lernen unsere ersten Samba-Schritte!

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Am nächsten Tag steht eine klassische Stadttour durch Rio auf dem Programm. Unverzichtbar ist da auch die Fahrt mit der Zahnradbahn auf den Corcovado mit der berühmten Christusstatue. Leider versteckt sich der «Cristo Redentor» hinter dichten Wolken. Dafür geniessen wir vom Gipfel des Zuckerhuts eine überwältigende Aussicht auf Rio de Janeiro. Nebst den vielen modernen Hochhäusern und dem Sandstrand erblickt man von hier oben auch die ärmeren Stadtviertel, die Favelas. Diese Siedlungen sind ohne rechtliche Erlaubnis der Behörden oder Landeigentümer errichtet worden. Anschliessend besuchen wir das Künstlerviertel Santa Teresa auf einem Hügel über der Stadt. Mit seinen Kopfsteinpflasterstrassen und alten Wohnhäusern versprüht das Viertel einen grossartigen Charme längst vergangener Zeiten. Gärten und Villen aus der Kolonialzeit sind zu bestaunen, wo früher die Kaffeebarone «Hof hielten». Den Abend lasse ich gemütlich auf der Dachterrasse mit einem leckeren Caipirinha ausklingen. Ein beliebter brasilianischer Cocktail, bestehend aus Cachaça, Limette, Zucker und Eis.

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Paraty – zwischen Bergen und Meer

Nach dem Frühstück werde ich mit einem Sammelbus abgeholt und fahre rund fünf Stunden der Küstenstrasse «Costa Verde» entlang südwärts, bis zur schönen Kolonialstadt Paraty. Der Küstenregenwald Mata Atlântica reicht hier nahezu an die einsamen Strände. Berge, Lagunen, unberührte Inselchen – und dazwischen immer wieder kleine Fischerdörfer, wo wir jeweils einen kurzen Toiletten-Stopp einlegen.

In Paraty angekommen, verliebe ich mich sofort in den Ort. Mit seinen hübschen Kirchen, den bunten Kolonialhäusern mit den schönen Fenstern- und Türumrandungen, sowie den von Sklaven gepflasterten Strassen, strahlt die Lokalität eine Atmosphäre aus, die ich sehr mag. Bei der Stadtführung erfahre ich mehr über die anmutige Siedlung, die grösstenteils ein Erbe des 17. Jahrhunderts ist, als der Hafen der Stadt zu einem wichtigen Umschlagplatz für das Gold aus Minas Gerais wurde.

Das wunderschöne Wetter am nächsten Tag lädt geradezu ein, um für eine Segeltour zu den Inselarchipelen aufzubrechen. Bei den Zwischenhalten haben wir genügend Zeit, um im kristallklaren Meer zu baden, zu schnorcheln und für Stand-up-paddeln. Oder einfach um die Sonne auf dem Deck und an den weissen Sandstränden zu geniessen.

Den folgenden Regentag nutze ich, um für Dreamtime Travel weitere Pousadas (Pensionen) kennenzulernen. Zudem gönne ich mir eine wohltuende Massage.

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Sao Paulo - Big City Life

Mit einem Privattransfer verschiebe ich mich dann in rund sechs Stunden nach São Paulo. Da der Fahrer praktisch kein Englisch spricht, unterhalte ich mich auf «Portuñol» mit ihm – einer interessanten Mischung aus Spanisch und Portugiesisch. Mir ist auf der gesamten Reise aufgefallen, dass nur wenige Menschen in Brasilien sich in einer Fremdsprache verständigen können. Selbst bei Leuten aus der Tourismusbranche sind z.B. Englischkenntnisse nicht gewährleistet.

Pantanal – grösstes Binnenland-Feuchtgebiet der Erde

Bereits um 4 Uhr morgens werde ich zum internationalen Flughafen Guarulhos gebracht. Der Inlandflug dauert rund 2 Stunden 30 Minuten. Von der Grossstadt São Paulo lande ich in einer komplett anderen Welt. Das Pantanal ist das grösste Binnenland-Feuchtgebiet der Welt. Anstelle der umtriebigen Metropole bin ich jetzt umgeben von Wäldern, Flüssen und Seen. Das Sumpfgebiet ist fast halb so gross wie Deutschland. Es befindet sich grösstenteils in Brasilien. Etwa ein Drittel liegt in Bolivien und Paraguay. Bis zu sechs Monate im Jahr steht die Gegend völlig unter Wasser und dient als wichtiger Rückzugsort für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Ich bin am Ende der Trockenzeit unterwegs. Diese Jahreszeit ist ideal, um Tiere zu beobachten. Ab November setzt dann der grosse Regen ein und die Landschaft verwandelt sich schlagartig in eine Sumpf- und Seenlandschaft.

Ich werde am Flughafen Cuiabá abgeholt und in etwa zwei Stunden gelangen wir zur Lodge an der berühmten und einzigen Strasse der Gegend, der «Transpantaneira». Während der nächsten fünf Tage stehen verschiedene Aktivitäten auf dem Programm: Geführte Wanderungen im Wald, Bootstouren, Kanutouren, 4x4-Touren und eine Fahrradsafari. Am 2. Tag begleitet mich auch mein Freund Luca, der aus der Schweiz angereist ist.

Wir haben viel Glück und können eine Vielzahl von Tieren beobachten. Mehrere Vogelarten, Reptilien wie Kaimane und Echsen, aber auch Säugetiere wie Capybara, Sumpfhirsche, Brüll- und Kapuzineraffen, Ameisenbären, Agutis und Tapire. Unser absolutes Highlight erleben wir beim Tagesausflug nach Porto Jofre. Wir haben das grosse Glück, Jaguare in ihrem natürlichen Habitat zu beobachten.

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Lencois Maranheses – Dünen, Sand und Lagunen

Mit dem ersten Blick frühmorgens auf mein Handy muss ich zur Kenntnis nehmen, dass unser Inlandflug nach São Luís annulliert wurde. Nichts Ungewöhnliches in Brasilien. Flexibilität ist also geboten.

Wir entscheiden uns spontan den zweistündigen Weg zum Flughafen Cuiabá über die Transpantaneira zu nehmen. Dort verhandeln wir mit der Airline. Die Fluggesellschaft zeigt sich zum Glück von ihrer kulanten Seite und bucht uns gleichentags auf eine andere Maschine um. Mit dem Nachteil allerdings, dass wir in Belo Horizonte einen längeren Aufenthalt haben. Falls jemand Tipps benötigt, wie man die Zeit auf diesem Flughafen «totschlägt», ich kenne jetzt alle VIP-Lounges, Coffee Shops und Souvenirläden Lächelnd.

Nach einem langen und anstrengenden Reisetag erreichen wir gegen 2 Uhr morgens unser Hotel in São Luís. Aber an Schlaf ist leider nicht zu denken. Unsere Zimmernachbarn und die Leute draussen im Freien feiern eine Riesenparty. Auch das gehört zu Brasilien und wir üben uns in Gelassenheit.

Am Morgen machen wir uns auf eine Erkundungstour durch das koloniale Zentrum São Luís auf. Die auf einer Insel zwischen zwei Flüssen gelegene Innenstadt mit Blick auf die São Marcos-Bucht ist sehr kompakt gebaut. Somit ist es problemlos möglich, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt zu Fuss zu entdecken. Die Kolonialarchitektur von São Luís zählt zu den schönsten von ganz Brasilien. Die Häuserfassaden sind mit kunstvollen Azulejos (Fliesen) geschmückt. Von der Terrasse des Löwenpalastes aus hat man einen herrlichen Blick auf die Bucht. Die City hat – wie Rio de Janeiro – französische Wurzeln. Nach der Kapitulation der Franzosen wurde sie von den Portugiesen übernommen. Später werden wir in vier Stunden nach Santo Amaro do Maranhão gefahren. An diesem Ort geniessen wir die späte Nachmittagssonne am Pool und das leckere Essen des Hotels. Am Abend gönnen wir uns eine wohltuende Massage.

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Unser portugiesisch sprechende Führer Davizao bringt uns am darauffolgenden Tag mit dem Geländewagen in den Nationalpark Lençóis Maranhenses im Bundesstaat Maranhão. Mit einer Grösse von 155.000ha ist es der grösste Nationalpark des brasilianischen Nordostens. Seine Ausmasse entsprechen jener der Metropole São Paulo. Allerdings mit dem grossen Unterschied, dass der Nationalpark lediglich von 100 Familien bewohnt wird. Lençóis Maranhenses gehört zu den ausgefallensten Landschaften, die ich bisher gesehen habe. Die Sahara Brasiliens ist eine Wüste voller Wasser. Und weisse Dünen, soweit das Auge reicht. Sie erstrecken sich über 70 Kilometer an der Küste entlang und reichen bis zu 50 Kilometer ins Landesinnere. Dazu gibt es Süsswasserlagunen mit kristallklarem Wasser und Mangrovenwälder. Die einzigartige, karge Vegetation verbirgt eine weitgehend unerforschte Tierwelt. Der Lençóis Maranhenses-Nationalpark gilt als eines der Sieben Natur-Weltwunder.

Eine kurze Wanderung führt uns zur «Lagoa das Andorinhas», einer Ansammlung von Lagunen inmitten einer riesigen Dünenlandschaft. Gegen Ende der Trockenzeit sind die meisten Lagunen entwässert. Davizao findet indes noch eine grössere Lagune mit recht viel Wasser. Wir können darin baden und mit dem Sandboard den Hügel hinunter ins erfrischende Nass rutschen.

Am nächsten Tag heisst unser Ziel Atins, östlich des Nationalparks gelegen. Nach rund 1.5 Stunden Autofahrt erreichen wir Barreirinhas. Von dort steigen wir auf das Schnellboot um und geniessen eine 6-stündige Fahrt entlang des Preguiças-Flusses. Der von Dünen und Mangrovenwäldern gesäumte Rio Preguiças wird immer breiter, während er sich in Richtung Küste schlängelt. Unterwegs halten wir in verschiedenen Fischerdörfern an. In Atins essen wir zu Mittag, ergattern handgemachte Souvenirs, und geniessen den Strand Caburé. Weiter geht es mit dem Geländewagen im östlichen Teil des Lençóis Maranhenses-Nationalparks. Hier ist die Trockenheit noch augenfälliger. Endlose Weite und Dünen zieren das Landschaftsbild. Schliesslich finden wir doch noch eine Lache. In der Laguna benetzen wir unsere Füsse mit dem Restwasser. Abends machen wir einen Ausritt durch die Dünen. Was für ein erhabenes Gefühl, durch dieses stille, weite Gelände zu galoppieren und den belebenden Wind auf der Haut und in den Haaren zu spüren. Auf einer hohen Lagune legen wir eine Rast ein und geniessen den friedlichen Sonnenuntergang.

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Salvador – afro-brasilianische Kulturstadt

Auf der letzten Reiseetappe besuchen wir Salvador, die Hauptstadt des im Nordosten Brasiliens gelegenen Bundesstaates Bahia. Sie liegt direkt an der Spitze der Allerheiligenbucht und wird daher auch Sâo Salvador da Bahia de Todos os Santos genannt. Salvador ist vor allem für seine Architektur aus der portugiesischen Kolonialzeit, die afrobrasilianische Kultur und die tropische Küste bekannt. Salvador war die erste Hauptstadt Brasiliens, bevor sie von Rio de Janeiro und jetzt Brasilia, abgelöst wurde.

Grosse Teile der Stadtführung legen wir aufgrund grosser Distanzen mit dem Auto zurück. Unsere Pousada liegt in der der Altstadt «Pelourinho» mit seinen Kopfsteinpflastern. Von hier aus erreichen wir alle Sehenswürdigkeiten zu Fuss. Das historische Zentrum Salvadors mit seinen bunten Kolonialhäusern, kleinen Boutiquen und netten Strassencafés strömt eine magische Atmosphäre aus. Grosse Plätze, farbenfrohe Gebäude und barocke Kirchen schmücken das historische Altstadtviertel, die Cidada Alta, welche 1985 von der UNESCO zum kulturellen und humanitären Erbe erklärt wurde.

Abends sind wir zu einer Folklore-Tanzshow im Teatro in der Altstadt eingeladen. Da mein Freund und ich selber gerne tanzen, interessieren uns diese Darbietungen speziell. Eindrücklich, mit welcher Energie und Lebensfreude die Bühnenkünstler singen und tanzen. Verschiedenste Stoffe mit aufwändigen Ornamenten und Pailletten finden bei der Kostümgestaltung Verwendung. Nicht nur im Teatro, sondern in ganz Salvador wird auf der Strasse musiziert und getanzt. Oft sieht man auch Capoeira-Tänzer. Capoeiro ist eine brasilianische Kampfkunst, die Kampf, Akrobatik, Musik und Kultur vereint. Sie wurde im 16. Jahrhundert von Sklaven auf den Plantagen entwickelt und als Tanz getarnt, um sich gegen ihre Unterdrücker zu wehren. 

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Obwohl Brasilianer hart arbeiten, um über die Runden zu kommen, ist ihre Einstellung zum Leben sehr entspannt. Sie nutzen jede Gelegenheit, spontan ein Fest zu veranstalten.

Beim Ausflug zum Strand Praia do Forte ist es bewölkt und regnerisch. Der Ort ist einer der meistbesuchten touristischen Flecken an der bahianischen Küste. Es gibt dort eine Infrastruktur mit Hotels, Pensionen und Restaurants. Nebst dem Strand erfreuen wir uns auch an der lebhaften Einkaufsstrasse und geniessen ein leckeres Seafood-Mittagessen am Strand. Schliesslich zeigt sich das Wetter doch noch von seiner versöhnlichen Seite. Entspannt geniessen wir die letzten Sonnenstrahlen, bevor es am nächsten Tag wieder zurück in die herbstliche Schweiz geht.

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Fazit

Brasilien ist ein unglaublich faszinierendes und vielfältiges Land. Um einen ersten Eindruck vom siebtgrössten Staat der Erde zu bekommen, genügen die drei Wochen Reisezeit, die ich zur Verfügung hatte, durchaus. Es aber in seiner Reichhaltigkeit und Verschiedenartigkeit kennenzulernen und auszuloten, dazu bedarf es allerdings gefühlt ein halbes Leben. Die bunte Mischung aus Natur, Kultur und brasilianischer Lebensfreude, bietet für jeden neugierigen Besucher das richtige Erlebnis. Auch die Freunde der Kulinarik kommen nicht zu kurz. Die brasilianische Küche hat viel zu bieten und jede Region hat ihre Spezialitäten: Fischgerichte und Eintöpfe, Kuchen und Süssigkeiten. Am besten geschmeckt haben mir die «Pão de queijo» (Käsebällchen) und der berühmte «Moqueca», ein Eintopf aus Fisch, Krabben und Gemüse, geschmort in Kokossauce.

Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Einheimischen sind ansteckend. Trotz gewisser Sprachbarrieren kommt man schnell und ungezwungen mit der Bevölkerung in Kontakt.

Brasilien, ich komme bald wieder! Lächelnd

 

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Livia Eberle

Oktober / November 2023